Polizeiaffäre BW: Ein Loch ist im Eimer

17.12.2025 / Dass der Täter nicht selten zum Tatort zurückkehrt, ist ein Klischee. Doch in jeder Volksweisheit steckt bekanntlich ein Stückchen Wahrheit. Insbesondere der Rückfall in bewährte Muster, in ein Handeln, das zwar verwerflich und schäbig, sich aber für eigene Belange eignet, hatte für ausgemachte Schlitzohren schon immer einen besonderen Reiz.

Ermittler sprechen in diesem Zusammenhang auch gerne von der Duplizität der Fälle. Ein solch überraschendes Phänomen konnte der seriöse Journalismus kürzlich bei der Berichterstattung über den Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre in Baden-Württemberg feststellen. Die Sache wäre fast untergegangen – doch die wirklich interessanten Dinge stecken auch diesmal im Detail.

Interna der Anklage

Ein öffentlich-rechtlicher Sender griff in seiner Nachberichterstattung einmal mehr ins Füllhorn der Verdachtsmomente gegen den der sexuellen Nötigung längst freigesprochenen ehemaligen Polizeiinspekteur. Unter Berufung auf „interne Informationen“ wurden Einblicke in eine neue Anklageschrift zu Bestechungswürfen gegen den Mann offenbart.

Der Sender gab dabei offenbar verschlossene Interna dieses Dokuments wieder und – was noch überraschender ist – zitierte tragende Argumente der Anklage, die in genau dieser Formulierungsweise nur vier Stellen bekannt sein dürften: Der Staatsanwaltschaft, dem Landgericht, dem Angeklagten und, nicht zuletzt, dem Landesinnenministerium. Letzteres bestätigte gegenüber Radio BW die Kenntnis der Anklageschrift.

Welche Quelle war undicht?

Das könnte man so hinnehmen – der Journalismus lebt von internen Quellen, die man nicht preisgeben muss und wird. Doch angesichts der Historie der Polizeiaffäre Baden-Württemberg und der entscheidenden Namen in diesem Ränkespiel um Posten und Gönnertum, muss die Frage gestellt werden: Sollte die undichte Stelle mit dem Hang zur Plauderei bekannter sein als man denken mag?

Eine Sprecherin des Innenministeriums erklärte auf Nachfrage von Radio BW: „Dem Innenministerium ist nicht bekannt, dass Inhalte und Details der Anklageschrift von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin des Innenministeriums an Medienvertreter herausgegeben wurden.“ – Gut gekontert: „Nicht bekannt“. Doch die Gedanken sind frei. Denn: Hatten wir nicht alle ein „ausgeschlossen“ erwartet?

Allerdings wäre es sicher voreingenommen, einen Landesinnenminister unter Generalverdacht zu stellen. Der „Mitarbeiter Strobl“ hatte zwar schon einmal vertrauliche Inhalte im Falle des Polizeiinspekteurs preisgegeben, wurde daraufhin juristisch zur Rechenschaft gezogen – doch jetzt, und ein zweites Mal? Das wollen wir uns alle gar nicht vorstellen. Vor allem nicht die Pressestelle, die allerdings ihre Hände nicht einmal ins Glutnest legen mag.

Auch die Tatsache, dass des Ministers Ehefrau Christine Strobl ARD-Programmchefin mit besten Kontakten zum öffentlich-rechtlichen Landesprogramm ist, hält sicher jeglichem Konjunktiv dubioser Informationskanäle stand – nicht zuletzt Strobl selbst versicherte in diesem Fall mit Verve, wie wichtig ihm doch die strikte Trennung von Amt und Privatem sei. Und das ist immerhin das Wort eines Innenministers.

An das glaubt inzwischen und überraschenderweise auch die Opposition. In der Vergangenheit und selbsterkennend überaus rigoros gegen Strobl aktiv, wollte sich die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im baden-württembergische Landtag, Julia Goll, diesmal nicht aus dem Fenster lehnen. Im Telefonat mit Radio BW erklärte sie, dass ohnehin viele interne Informationen aus der erneuten Anklage gegen den Ex-Polizeiinspekteur längst in politischen und journalistischen Kreisen verbreitet seien. Leider erklärt das nicht den neuerlichen und – angesichts der Formulierungen – weitaus brisanteren Fall.

Bleibt erstmal die Erkenntnis: Die Versicherungen und Ehrenworte von Politikern wiegen noch immer schwer – in jeder Hinsicht und auf jeder Seite der Waagschale. Kehren wir unsere schlichten Überlegungen mal ganz schnell unter den Teppich. Wenn da allerdings schon einiges liegt, könnte die Zielgerade bis zur Landtagswahl im Frühjahr für den baden-württembergischen Landesinnenminister nochmal schweißtreibend werden.


Weitere Beiträge zum Thema:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert