Die Schuld herbeigeschrieben

09.04.2024 / Der Prozess gegen den Polizeiinspekteur des Landes Baden-Württemberg ist beendet: Die Vorwürfe der sexuellen Nötigung, die eine Beamtin gegen ihn erhoben hatte, waren nach Auffassung der Richter erlogen. Zu diesem Urteil kam der Bundesgerichtshof in Karlsruhe nach einer erfolglosen Revision der Nebenklägerin sowie der Staatsanwaltschaft. Bereits einige Wochen zuvor hatte der Generalbundesanwalt in überraschend deutlichen Worten das erstinstanzliche Urteil bestätigt und den Richtern in Karlsruhe eine klare Empfehlung ausgesprochen.

Am Ende bleiben nur Verlierer

Der hochrangige Beamte ist freigesprochen. Die Klägerin wollte mit den Vorwürfen nach einer illustren Kneipentour in Bad Cannstatt offenbar ihre damalige Partnerschaft retten. Dass sie dafür nicht nur den Ruf ihres Vorgesetzten, sondern insbesondere ihren eigenen nachhaltig schädigte, muss ihr im Laufe des Prozesses klargeworden sein. Warum sie niemand frühzeitig gestoppt hat – weder die Polizeipräsidentin noch ihr Anwalt – bietet reichlich Raum für Spekulationen.

Wirkliche „Sieger“ gibt es in diesem jahrelangen Verfahren nicht. Am Ende bleiben nur Verlierer. Wer einen anderen Menschen zu Unrecht einer Straftat beschuldigt, muss fortan mit dieser eigenverantwortlich herbeigeführten Schande leben. Auch der einstige Angeklagte geht aus einem derartigen Verfahren nicht schadlos heraus, denn ungerechtfertigte Vorwürfe und die Verteidigung der Persönlichkeit nagen an der Psyche und hinterlassen tiefe Wunden – privat und beruflich.

Presse hinterlässt verbrannte Erde

Die Polizeiaffäre Baden-Württemberg hinterlässt mit dem höchstrichterlich bestätigten Freispruch des Polizeiinspekteurs aber noch mehr verbrannte Erde. Und die ist für jeden seriösen Journalisten umso bedrückender. Wie in kaum einem anderen öffentlichen Fall hat die überwiegende Zahl lokaler und regionaler Medien die Grundlagen verbriefter und so gerne auf die eigenen Fahnen geschriebener Neutralität mit Füßen getreten.

Die Schuld des Polizeiinspekteurs wurde vom ersten Tag an herbeigeschrieben. Frühzeitig wusste man angeblich, dass er, der hochrangige Beamte, die ihm Untergebene in der von ihr geschilderten Art und Weise genötigt haben muss. Der Angeklagte wurde öffentlich mit Bezeichnungen stigmatisiert, die sicher keiner der verantwortlichen Schreiberlinge jemals in privatem Kreis hätte nutzen wollen und können. Selbst Baden-Württembergs Innenminister Strobl stimmte von Anfang an in den Chor der Verleumdungen mit ein.

Im sicheren Umfeld von „Meinungsfreiheit“, politischen Interessen und dem „Recht auf Information“ wurde Ethik zu einem dehnbaren Begriff. Vor allem, wenn es um Auflage und Macht geht.

Vielleicht ging es aber auch um mehr als das. Denn das Netz der Verstrickungen zwischen der lokalen Pressedominanz im beschaulichen Ländle und der Politik ist dicht verwoben. Die mediale Aufarbeitung wird spannend – nicht für alle, aber für einige.

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